Norwegen 2006


Norwegen
 
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Sonntag, 20.08.2006 - Songesand, Warten auf die Fähre
Am Ende einer anstrengenden und abenteuerlichen Wanderung sitzen wir in kurzen Hosen auf einem kleinen Hügel oberhalb des Fähranlegers und haben noch eine Stunde Zeit, bis das Boot uns abholen kommt. Die Sonne scheint warm, wir schauen über den Fjord: das Leben ist schön!
Gestartet sind wir gestern mittag bei grauem Wetter. Den Vormittag hatten wir mit Vorbereitungen für zwei Tage unterwegs zugebracht, packen, Tarp flicken, Klamotten in Ordnung bringen...
Wir verließen unseren gemütlichen Zeltplatz und fuhren ein Stück den nördlich vom Fjord gelegenen Berg hinauf. Dort parkten wir das Auto an unserem Schlafplatz der ersten Nacht und machten uns auf die Socken. Kurz nachdem wir losmarschiert waren, fing es an zu regnen und wir machten eine Müslipause unter einer kleinen Brücke. Richtig clochard-mäßig!
Da der Regen sich dadurch nicht beeindrucken ließ und weiter regnete, holten wir zum ersten Mal die kompletten Regensachen aus den Rucksäcken und pellten uns richtig an. So wasserdicht verpackt störte uns der Regen nicht mehr, allerdings war ich innerhalb kurzer Zeit von drinnen so nassgeschwitzt, wie ich sonst wohl von draußen gewesen wäre... Unser Weg, wir liefen diesmal ohne Wanderkarte, nur mit der großen Straßenkarte, führte erst etliche Kilometer auf einer alten Teerstraße entlang, die für Autos offiziell gesperrt ist. Leider hielten sich nicht alle daran und wir wurden immer mal wieder von Autos und Wohnmobilen überholt, die uns die Luft verpesteten. Nach ca. drei Stunden bogen wir von der Straße auf den markierten Wanderweg "Lysefjorden Rundt" ab, der uns durch ein schönes Tal mit See und Hütte führte. Es hatte inzwischen längst aufgehört zu regnen, aber der Weg ging stundenlang durch nasses Gras und Heidekraut - wir hatten nach einer Weile beide klitschnasse Füße und Beine. So gings bergauf zu einem Pass, immer in der Nähe einer Hochspannungsleitung, die zu dem hier allgegenwärtigen Wasserkraftwerk gehört.
Auf unserer Karte sind die Wanderwege nur sehr ungenau eingezeichnet, wir wussten darum nie genau, wo wir waren, aber mit Kompass, jedenfalls, in welche Richtung wir gingen. Zum Glück ist der Weg sehr gut markiert und an schwierigen Stellen, wie z.B. kleinen Furten, etwas ausgebessert, so dass man eigentlich meistens gut durchkommt. Als wir nach einiger Zeit ungefähr unsere Position herausgefunden hatten, erschraken wir etwas über die noch zu bewältigende Strecke bis Sonntag nachmittag um fünf. Um also einigermaßen sicher zu gehen, dass wir die letzte Fähre des Sonntags in Songesand erreichen, mussten wir noch ganz schön weit laufen. Es ging immer auf schmalem Pfad durch Birkenhaine und Heidekraut,dann wieder über große Felsen, die bei der Nässe ziemlich rutschig waren. Rote Markierungen an den Bäumen, auf Steine gemalt, rotbemalte Stöcker im Boden - wir stolperten nachher nur noch diesen Wegzeichen nach. Ab und zu ein kleines Päuschen, um die Schultern und die Füße etwas vom Gewicht zu entlasten, dann wieder weiter..
Irgendwann sahen wir in der Ferne eine Hütte, bis dort wollten wir noch gehen. Leider war sie verrammelt und verriegelt, kein Unterschlupf für uns zu finden. Sogar der Platz unter der Hütte war mit Draht abgesichert, wahrscheinlich wegen der herumstromernden Schafe. Also blieb uns nichts anderes übrig, als selbst für unser Nachtlager zu sorgen:
wir fanden etwas abseits des Pfades einen großen Felsen, der zur Talseite hin Schutz bot. Jenseits davon war der Boden zwar genauso nass wie überall, aber wenigstens einigermaßen eben. Dort spannte Thomas das Tarp auf, während ich mich ums Feuer kümmerte, bei der Nässe auch nur mit Pfadfindererfahrung zu bewerkstelligen. Zum Glück gab es genug Birken in der Nähe, die äußere Rinde ist auch bei Regenwetter zum Feuermachen geeignet. Als das Feuer dann unter der Tarpecke brannte, bauten wir uns daneben Trocknungsgestelle für unsere nassen Sachen. Nebenbei köchelte ein Tütensüppchen, schön salzig, um den Salzhaushalt wieder auf Vordermann zu bringen. Am Feuer sitzend warme Suppe löffeln, während die nassen Socken ausdampfen: schon war es wieder gemütlich auf vier Quadratmetern im patschnassen Gelände. Es wurde allmählich dunkel und wir hundemüde. Irgendwann waren jedenfalls die Strümpfe trocken genug für den nächsten Tag, wir ließen das Feuer runterbrennen und richteten unser Schlaflager her. Dafür zogen wir das Tarp weiter herunter, breiteten Matten und Schlafsäcke auf dem alten BW-Poncho aus und legten, nur für alle Fälle, das Pfefferspray bereit. Es war völlig still und es schauten ein paar Sterne durch die Birken herab, uns fielen die Augen zu..
Als wir sie um halb acht Uhr morgens wieder öffneten, schien die Sonne, es war windstill und die Welt sah aus wie frisch gewaschen. Nach ein paar Minuten brannte das Feuer wieder, diesmal für das Kaffeewasser, und zwei Stunden später waren wir gut gelaunt wieder auf dem Pfad Richtung Songesand. Da meine Stiefel von innen noch ziemlich nass waren, zog ich mir Plastiktüten über die schön trockenen Strümpfe. Ein wenig rutschig im Stiefel, aber trocken und warm. Eine Stunde liefen wir noch auf dem schmalen Pfad, dann wurde er allmählich breiter, führte an einem felsigen Bach entlang. Wir hielten dort ein Weilchen an, trockneten in der warmen Sonne die Stiefel und ich konnte mich im Bach waschen. Keine Menschenseele weit und breit störte unsere Idylle. Mittags erreichten wir die Teerstraße nach Songesand, auf der wir noch einige Kilometer weit gehen mussten, um zum Fähranleger zu kommen. Im Gegensatz zum Bergpfad taten mir auf der Straße bald die Füße weh, weil die Belastung bei jedem Schritt die gleiche ist. Am Berg ist jeder Schritt anders, da hatte ich kaum schmerzende Füße.
Abends in Lysebotn auf "unserem" Zeltplatz. Als wir mit dem Boot zurückkamen, schnackte uns am Hafen ein Mann an, fragte auf deutsch, woher wir gerade kämen. Wir kamen ins Gespräch und dann hatten wir das Glück, dass er uns einen Lift zu unserem Auto anbot. Er und seine Frau sind seit zwei Monaten in Norwegen unterwegs mit einem alten VW-Bus. Nette und weitgereiste Leute, die lange Zeit für eine Alpinzeitschrift Berichte geschrieben haben und u.a. in Nepal und Tibet waren. Wir trafen uns am Abend bei uns am Feuer noch einmal, leider fing es dann bald an zu regnen und wir mussten die gemütliche Sitzung aufheben und ins Zelt flüchten. Also haben wir heute einen frühen Feierabend, den haben wir uns auch verdient! Und morgen wird mal wieder gefaulenzt!

Montag, 21.08.2006 - Lysebotn, Faulenzertag
Nach einer Regennacht mit leichtem Donner in den Bergen haben wir lange geschlafen, in Ruhe gefrühstückt und dann unsere neue Bekanntschaft verabschiedet. Sie erzählten uns vor ihrer Abfahrt noch, dass der Wetterbericht für die nächsten Tage nichts Gutes erwarten lässt und fuhren dann in ihrem etwas angeschlagenen Bus den Berg hinauf davon.
Wir tüddeln nun hier herum, waschen Wäsche, sammeln Feuerholz, gucken in die grüne Gegend. Ab und zu nieselt es etwas, schauen wir mal...

Dienstag, 22.08.2006 - wieder unterwegs.
Schweren Herzens haben wir uns heute vormittag von Lysebotn verabschiedet. Bei blauem Himmel und einigen hängengebliebenen Wolken zwischen den Bergen drehten wir eine Ehrenrunde zum Hafen, schauten ein Weilchen in das schöne blaugrüne klare Wasser und ließen uns dann von unserem alten Auto, das ja nun ein paar Tage ein recht ruhiges Dasein genossen hat, den Berg emportragen. Am Øygardstøl, dem teuren Parkplatz am Start der Kjerågtour, hielten wir nochmal an zum kostenfreien warmen Haarewaschen. Die Strecke durchs Fjell oberhalb des Fjords begeisterte uns wieder durch die Vielfalt der Eintönigkeit der Felsenlandschaft. Hier kann man sich wahrhaftig die Finger wund knipsen! Nun geht es durch das Sirdal in Richtung Süden nach Tonstad, wo wir eine Einkaufsmöglichkeit zu finden hoffen. Auf dem Weg fanden wir unverhofft einen grandiosen Wasserfall, Dorgefoss genannt, der sich in vielen tausend Jahren metertief in den Felsen eingefressen hat und tief hinabfällt ins Tal.
17:30: Nach mal wieder erschreckend teurem Einkauf fuhren wir weiter durch waldiges Bergland mit Seen und Flüssen, bis wir keine Lust mehr hatten. Dann zogen wir die Karte zu Rate und suchten ein abgelegenes Sträßchen, um uns irgendwo nieder zu lassen. Unser heutiges Schlafzimmer fanden wir dann in der Nähe des Øre-sees im Åseral. Ein paar Meter entfernt eine kleine Staumauer mit automatischen Regelungsklappen, die ab und zu mit viel Geräusch verändert werden. Über uns hängen im Moment noch dicke Gewitterwolken, es donnert und sieht sehr bedrohlich aus, finde ich. Darum bleibe ich vorläufig lieber im Auto und warte, bis es vorbeigezogen ist... Den ganzen Tag über sah man schon, dass es in den oberen Luftschichten ordentlich arbeitete: pralle Sonne wechselte sich mit dicken Wolken ab am Himmel. Nun muss es wohl erstmal runter.

Mittwoch, 23.08.2006 - Parkbank in Åseral
Vorhin waren wir noch recht motiviert, heute eine längere Wanderstrecke zu laufen, inzwischen sind wir irgendwie faul geworden und hängen lieber in dem kleinen Ort in der manchmal durch die Wolken blickenden Sonne herum. Der Himmel wirkt auch etwas unentschlossen: erst war es sehr sonnig, nun drohen wieder dunkle Wolken, aber sie ziehen bisher nur vorbei, ohne uns nass zu machen. Das Wetter benimmt sich hier ganz anders als zuhause und ist irgendwie schwer einzuschätzen. Bisher hat es uns allerdings meistens positiv überrascht. Unsere Planung geht jetzt in Richtung einer kleinen überschaubaren Tagestour hier in der Nähe. Das Auto beglückt uns auch mit neuen Klappergeräuschen, seitdem wir gestern einen heftigeren Absatz am Straßenrand aufsetzenderweise geschrammt haben... so langsam wird er so richtig pflegebedürftig, aber läuft brav weiter. Wir bemühen uns um kurze Autotouren hier in Norwegen.
Kurz vor der Tagesschau steht das Zelt in der Nähe von Byglandsfjord in einem kleinen Waldweg, der mal wieder an einer Staumauer endet. Diese Staumauer ist wesentlich größer als die gestrige und staut die Otra auf. Da wir desmal aber auch weiter vom Staudamm entfernt stehen, ist es nicht so laut. Der Himmel hat sich nach dem schönen Tag wieder sehr zugezogen. Dicke schwarze Wolken entstehen hier aus dem Nichts, regnen aber nur sehr zögerlich ab. Manchmal hört man Donner über den Bergen, aber hier unten nieselt es nur etwas, komisches Wetter!
Am Nachmittag gingen wir eine gemütliche Runde bei Åseral in die Berge. Das Auto stellten wir bei ein paar neugierigen Starken ab, die so zutraulich waren, dass man sie sogar hinter den Ohren kraulen konnte. Eine kleine braune probierte, ob man meine Hand vielleicht komplett schlucken oder die Kofferraumabdeckung vom Auto essen könnte..
Mit kleinem Gepäck und in kurzen Hosen ging es bei schönem Sonnenschein los. Einen Trampelpfad sollte es bergauf geben, den fanden wir mal wieder nicht, aber da die Richtung ungefähr stimmte, trafen wir planmäßig auf den Weg, der wieder bergab führen sollte. Dabei trafen wir auf die Ausgrabungsstelle einer eisenzeitlichen Siedlung, Sosteli, die für den Tourismus zugänglich ist. Ein paar alte Steinwälle und Grabhügel gab es da zu sehen. Dazwischen liefen Schafe herum, ob die auch aus der Eisenzeit stammen?
Nach zweieinhalb Stunden waren wir zurück beim Auto ( bloß nicht überanstrengen! ) und dann war auch schon Kaffeezeit. Im Ort ein sonniger Platz mit hölzernen Tischen und Bänken an einer Stromschnelle des Flusses, mit weichem Gras und Sandstrand, das war der richtige Kaffeepausenplatz für uns. Herrlich, so faul in der warmen Sonne herum zu lungern...
Die Fahrt hierher dauerte nur eine halbe Stunde, die Schlafplatzsuche etwas länger, denn wir sind ja verwöhnt und nehmen nicht jede Möglichkeit! Gegen Abend ist auch der eine oder andere gute Platz schon anderweitig besetzt. In einem Land, in dem das freie Campen im Rahmen des Jedermannsrechtes ausdrücklich erlaubt ist, trauen sich doch mehr Leute von den Campingplätzen herunter. Viele Wohnmobilisten sieht man in kleinen Wegen und auf freien Plätzen entlang der Straße ihr Lager aufschlagen. Klappstühle, Tische, Hundewassernapf...

Donnerstag, 24.08.2006 - nach dem Frühstück
Scheinbar haben wir unser Zelt auf der Hauptjogging- und Radlerstrecke der Region aufgebaut. Beim Frühstück hatten wir jede Menge Besuch, es war richtig interessant. Da wir neben dem Auto mit dem deutschen Nummernschild saßen, sprachen uns alle gleich auf deutsch an...
Das Wetter ist gemischt, gleich geht es weiter auf die andere Seite der Otra, wo wir heute laufen wollen.

Freitag, 25.08.2006 - Evje
Heute ist ein schöner warmer Urlaubstag. Urlaub vom Urlaub...
Den brauche ich heute auch, denn gestern bin ich erheblich weiter gelaufen, als ich eigentlich wollte. Das kam so:
Wir hatten uns auf der Karte einen Wanderweg ausgeguckt, der uns als lockerer Zwei-Tages-Trip erschien. Dafür fuhren wir ein Sträßchen bergan, ließen das Auto dort auf einem kleinen Wendeplatz stehen und wanderten los. Wir hatten einige hundert Höhenmeter vor uns, allerdings auf, laut Karte, fahrbarem Weg. Also bestand kaum die Gefahr, sich zu verlaufen. Es ging durch z.T. sehr dichten Bergwald mit saftig grünen Moospolstern und vielen Pilzen recht kräftig bergauf. Der Weg war zu meiner Begeisterung mit Quarzschotter bestreut, es blinkte und glitzerte so, dass ich am liebsten den ganzen Weg eingesammelt hätte. Ein paar kleine Steinchen verirrten sich dann auch in meine Taschen...
Erstaunlicherweise erreichten wir den See, der das Ziel unseres Tagesplanes war, schon nach zwei Stunden Gehens. Auf dem letzten Stück des Wegs fanden wir die dicksten Blaubeeren und schmausten uns am See entlang. Leider fing es gerade an zu regnen und wir suchten uns schnell einen Platz zum Aufhängen des Tarps. Kaum war unser Unterstand so weit fertig, da hörte der Regen wieder auf. Da saßen wir nun, nachmittags um drei und hatten unser Tagwerk schon getan.
Nun kam mir die Idee, auf dem guten Fahrweg das Auto herzuholen. Zeit war genug und ich hatte noch Lust auf etwas Bewegung ohne Gepäck. Also ging ich los, den Berg wieder hinunter. Kaum war ich losgegangen, hörte ich es grummeln auf dem gegenüberliegenden Bergrücken. Der Himmel dort drüben sah sehr bedrohlich aus, mein Schritt wurde immer schneller... Bloß jetzt nicht in ein Gewitter geraten, so allein am Berg, ohne Unterschlupf weit und breit!
In fünfzig Minuten war ich wieder beim Auto, so schnell ist hier sicher noch niemand den Berg runter gekommen... Nun war der Rest ja nur noch ein Kinderspiel. Ich fuhr den Weg hinunter und einen anderen wieder hoch, der zum See führen sollte und musste dann leider vor einer Schranke aufgeben. Ein freundlicher Anwohner informierte mich darüber, dass es zu der Schranke einen Schlüssel zu leihen gibt im örtlichen Supermarkt. Da mein Portemonnaie oben auf dem Berg im Rucksack ruhte, entfiel diese Möglichkeit und es blieb mir nichts anderes übrig, als den Berg wieder rauf zu steigen. Zum dritten Mal den Weg, er wurde immer länger! Durchgeschwitzt und mit schmerzenden Füßen kam ich nach einer Dreiviertelstunde wieder ober an, wo Thomas in dicker Jacke etwas fröstelnd unterm Tarp saß und mich fragend anschaute: wo ist das Auto?
Inzwischen war es halb sieben und wir beschlossen nach kurzer Überlegung, mit Gepäck wieder hinabzusteigen und uns mit dem Auto auf die Suche nach einem gemütlichen Zeltplatz zu machen. Also, zum vierten Mal die Strecke laufen, diesmal wieder mit dem schweren Gepäck.. Auf dem letzten Stück des Weges fing es stärker an zu regnen, wir erreichten das Auto aber noch, bevor wir richtig nass wurden. Aua, meine Füße! Die Platzsuche erwies sich dann als etwas schwierig: wir sind hier zu dicht an der Zivilisation, viele Wege sind gesperrt oder schon besetzt. Große touristische Unternehmen, wie z.B. ein großes Rafting-Center mit riesigen Zelten, Hütten und geräuschvollen Freizeitaktivitäten, trieben uns immer weiter, bis wir in der Nähe unseres vortägigen Schlafplatzes kurz über dem Fluss anhielten. Schön ruhig war es dort und wir konnten vom Zelt aus über den See schauen. Nur Feuer machen war zwischen den Bäumen und in Sichtweite eines Hauses nicht angesagt. Genau genommen war ich aber sowieso viel zu müde dafür. Ein Stück Brot und etwas kalter Kakao war genug vorm Schlafengehen.
Heute morgen nutzten wir nach ausgiebiger Ruhe die Wasch- und Bademöglchkeit des mittelmäßig warmen Sees und wechselten dann zum Frühstück an den gestrigen Übernachtungsplatz, wo wir Feuer machen, sprich: Kaffee kochen konnten.
Nun geniessen wir den heutigen Sonnentag, sitzen nach dem nötigen Einkauf in Evje an einem hölzernen Tisch, trinken unseren eigenen Kaffee und haben nix besonderes vor. Ein norwegischer Alkoholiker ohne weitere ausländische Sprachkenntnisse setzte sich vorhin mit seiner Wodkaflasche, verschämt durch eine Plastiktüte getarnt, zu mir an den Tisch und versuchte eine Unterhaltung. Mit meinen paar Brocken Dänisch konnten wir die wichtigsten Infos austauschen, dann war Sendepause und ich konnte weiter schreiben.
Viele Biker sind hier unterwegs, einige deutsche, aber hauptsächlich norwegische auf meist großen schweren Moppeds.

Sonnabend, 26.08.2006 - Vikestølvatnet
Wir haben uns gestern abend scheinbar die ameisenreichste Übernachtungsgegend von ganz Norwegen ausgesucht! Auf zwanzig Metern Weg fand ich sechs Ameisenhaufen! Und leider ist einer direkt hinter unserem Zelt. Die Mädels sind doch sehr aufgeregt über unsere Anwesenheit und krabbeln immer wieder ins Zelt und an unseren Beinen hoch.
Davon abgesehen ein sehr schöner Zeltplatz wieder mit Blick auf einen See. Am See entlang einige Wochenendhäuschen in traumhafter Lage, mit teuren Autos auf privaten Parkflächen. So ein Häuschen scheint der Traum vieler Norweger zu sein, im sonnigen Süden des Landes an einem fischreichen See. Apropos fischreich: gestern abend kurz vor dem Einschlafen hörte ich ganz in unserer Nähe ein lautes Plumpsen im Wasser. Dieser See scheint sehr große Fische zu beherbergen...
Wir haben jetzt, es ist halb zwölf mittags, dem Drängen der Ameisen nachgegeben und fahren nun weiter. Die Sonne scheint, die Gegend lockt zum Gehen.
Wir entscheiden, eine letzte kleinere Wandertour zu unternehmen. In einem Touristguide fanden wir den Hinweis auf eine Sommerloipe zum Berg Himmelsyna in der Nähe von Gautestad, nur wenige Kilometer von unserem Schlafplatz entfernt. Dorthin machten wir uns auf den Weg. Die Route war leicht zu finden, alle paar Meter fand sich eine blaue Markierung. Als Plastikbändchen an Bäumen oder Sprühfarbe auf Steinen und Bäumen, manchmal sogar gesprühte Pfeile auf dem Boden. Auch hier rege Bautätigkeit. Einige neue Häuser entstehen an einem frisch aufgeschütteten Schotterweg ohne Seeblck. Durch Heidelandschaft und Birkenwälder, viele Sumpfgebiete (nasse Füsse!) und an stillen Seen entlang führte der Pfad, sehr schön! Ein Biber hatte einen See aufgestaut, man sah etliche abgenagte Birken am Weg und einen älteren Damm. Schließlich, nach fast zwei Stunden und vier gegangenen Kilometern, ging es steil bergauf zum kahlen, rundlichen Gipfel des Himmelsyna. Oben richtig stilvoll ein Steinhaufen und ein Kasten mit einem Buch. in dem sich alle Besucher eintragen können. Wir stehen nun auch drin...
Ein schöner Rundumblick auf weitgehend unerschlossenes Bergland und warmer Sonnenschein entschädigten uns für die Anstrengung und die nassen Füße. Wir blieben für die Zeit einer kleinen Zwischenmahlzeit und der Trocknung unserer Socken dort in der Sonne sitzen und schauten übers Land, bevor wir uns wieder aufmachten. Eine lustige Begegnung gab es dort oben: ein norwegisches Paar kam auf den Gipfel mit einem Berner Sennenhund namens Dennis. Dennis trug ein Paar Packtaschen auf den Schultern, die offensichtlich extra für Hunde gemacht waren. Wie wir später erfuhren, eine durchaus übliche Methode des Gepäcktransportes in Norwegen. Aus diesen Packtaschen nahm sich sein Besitzer, oben angekommen, eine Dose Bier heraus und setzte sich gut gelaunt auf einen sonnigen Felsen, während Dennis, sichtlich erledigt, im Schatten abhechelte.
Eineinhalb Stunden und viele Blaubeeren später erreichten wir das wartende Auto auf demselben Weg rückwärts und hatten einstimmig genug Bewegung gehabt. Mit anderen Worten: wir waren beide ziemlich kaputt und freuten uns auf den Feierabend im Zelt. Dafür mussten wir allerdings erst wieder einen schönen Platz finden, was sich immer schwieriger erweist, je weiter wir nach Süden kommen. Doch auch diesmal fand sich nach längerem Suchen ein Platz, der uns brauchbar erschien. Zwar etwas dicht an einer Straße, aber dafür sehr schön auf einer kleinen Landzunge an einem keinen See gelegen, mit benutzter Feuerstelle und kleinem Wasserfall in der Nähe für Trinkwasser. Zum Kochen waren wir mal wieder zu müde, darum gab es nur ein Tässchen Tee und, zur Abwechslung, etwas Käsebrot.
Nachts gab es ein zahmes, Thomas sagte: handliches, Gewitter und ergiebigen Regen, der bis zum Morgen anhielt und erst aufhörte, als wir aufstanden.

Sonntag, 27.08.2006 - Brennåsen, bei Jostein und Arnhild
Es blieb trocken, während wir frühstückten und zusammenpackten - mal wieder hatten wir Glück mit dem Wetter. Für heute hatten wir nur noch etwas bequemes Sightseeing auf unserem Plan, also ein bißchen dekadent mit dem Auto herumfahren und Landschaft begucken, und wir hatten im Touristguide etwas von einem alten, aber noch genutzten und, vor allem: in den Sommermonaten der Öffentlichkeit zugänglichen Wasserkraftwerk gelesen. Das wollten wir uns gern anschauen. So bummelten wir gemächlich durch die regennasse Landschaft nach Nomeland, wo wir das Kraftwerk auch gleich fanden. Wie sich herausstellte, hatten wir auch hier wieder Glück mit dem Timing: eine Viertelstunde später sollte einen Kilometer weiter die "Setesdalbahn", eine touristisch genutzte alte Dampfeisenbahn, ankommen. Dort würden die ersten Kraftwerksbesucher des Tages ankommen und mit Oldtimerautos zum Kraftwerk gefahren. Das könnten wir uns ja erst noch anschauen, wurde uns geraten, und dann ginge es dort mit Rundgang mit und ohne Führung los. So taten wir, freuten uns an der alten Dampflok und verbrachten dann einige interessante Stunden mit der Besichtigung der alten gewaltigen Technik. In einer großen kichenähnlichen Halle mit Rundbogenfenstern standen vier große Generatoren verschiedenen Alters, von denen nun allerdings (aus Sicherheitsgründen?) nur einer arbeitete. Es vibrierte und rummelte gewaltig!
Nachdem alle ausreichend Zeit damit verbracht hatten, selbständig herumzustreifen, wurde eine Führung mit genauer Erklärung angeboten. Diese fand natürlich auf Norwegisch statt, aber vieles konnte man schon durch die Anschauung verstehen. Wir hörten erst einiges über die Geschichte des Kraftwerkes, das schon 1916 in Betrieb genommen wurde, und wurden dann über den Damm geführt, zu dem Tunnel, durch den das Wasser ins obere Verteilerbecken und von dort aus zu den Turbinen geleitet wird. In die Strömung dort sollte man lieber nicht hineinfallen! Thomas konnte mir später noch einiges erklären über die Funktionsweise der Anlage, die heutzutage mit moderner Steuerelektronik ausgestattet ist. Sehr beeindruckend!
Nach der Besichtigung fuhren wir weiter Richtung Kristiansand, erstmal bis Vennesla, wo wir irgendwo zum Essen einkehren wollten. Leider ist Gastronomie hier scheinbar ein Fremdwort, es gab nur ein dunkles und leergefegtes Chinarestaurant - also gab es wieder Käsebrot im Auto, zur Verhinderung des akuten Unterzuckerungszustandes. Da es immer wieder regnete, kamen wir auf die Idee, doch schon am Sonntag bei unseren Freunden aus der Berghütte anzurufen und sie in ihrem Haus in der Nähe von Kristiansand zu überfallen. Wieder mal stimmte das Timing: sie waren gerade von einem Ausflug mit Freunden zurückgekehrt und freuten sich über unseren Anruf. Eine halbe Stunde später trafen wir Jostein an einer Tankstelle und er führte uns zu seinem Haus und einer wohlgefüllten Kaffeetafel. Ohne jeden Zweifel waren wir sofort zur Übernachtung eingeladen, bekamen ein leckeres Abendbrot und ein gemachtes Gästebett - wir konnten uns so richtig verwöhnen lassen, herrlich! Ein perfekter Abschluss einer schönen Reise. Abends saßen wir noch lange zusammen, bis uns allen von so vielen englischen Worten die Köpfe rauchten.

Montag, 28.08.2006 - Kristiansand
Wir warten auf die Zeit zum Einchecken. Es regnet und wir sind unentschlossen, was wir mit den letzten zweieinhalb Stunden Norwegen Sinnvolles anfangen können. Nach weiteren netten Unterhaltungen beim ausgiebigen Frühstück haben wir uns von Arnhild und Jostein verabschiedet. Vielen Dank für so viel nette Gastfreundschaft!
Nach der Wettervorhersage hat sich hier nun der Sommer verabschiedet, es scheint für warmduschende Wanderer wie uns der richtige Moment zu sein, das Land zu verlassen. Über dem Meer scheint die Sonne, hinter uns über dem Land hängen dicke schwarze Wolken. Die Batterien der Digitalkamera haben auch heute den Geist aufgegeben- was will uns das sagen?
Fazit: Wie konnte ich so lange Zeit in der Unwissenheit verbringen, was für ein schönes und abwechslungsreiches Land in sechs Stunden Reiseentfernung für uns zu erreichen ist? Kaum zu glauben! Wir erlebten Norwegen als sehr angenehmes Reiseland, hatten allerdings auch ungewöhnliches Glück mit dem Wetter in diesem Jahrhundertsommer, wo im Juli sogar auf Höhe der Lofoten über 30°C gemessen wurden. Zum Wandern waren die milden Temperaturen und die sehr sanften Nieselregen, die meist nachts fielen, nahezu ideal. Die Landschaft zeigte sich von sehr lieblich in den südlichen Tälern bis rau und schroff auf dem Fjell, immer wieder anders und immer gastfreundlich für uns. Sogar im Regen fanden wir irgendeinen Unterschlupf, wo wir es uns gemütlich machen konnten. Das freie Zelten war sehr entspannt, alle Menschen begegneten uns freundlich. Die meisten sprachen etwas oder etwas mehr Englisch, ansonsten halfen einige Brocken Dänisch oder Hände und Füße weiter. Auf den kleinen kurvigen Straßen bedauerten wir häufig, die Moppeds nicht dabeizuhaben, im Auto die pure Verschwendung! Manchmal hätten wir am liebsten die vorbeirauschenden Biker von ihren Fahrzeugen geschubst, aber manchmal waren wir auch ganz froh über das bequeme Auto...
Manchmal kommt es anders, als man denkt: in Gedanken schon fast zuhause, erreichte uns eben die Meldung, dass die Abfahrt unseres Schiffes aus uns unbekannten Gründen ( man munkelt was von schlechtem Wetter...?) abgesagt wurde. Das nächste erreichbare Schiff geht für uns nun in zweieinhalb Stunden ab Larvik und fährt dann 13 Stunden anstatt zweieinhalb ab Kristiansand!? Tut das nun Not??
Also bekommen wir auf der Peter Wessel eine eigene Kabine mit WC und Dusche und sind erst morgen früh gegen acht in Hirtshals. Das wird eine lange Nacht, wenn es tatsächlich schlechtes Wetter gibt!
Inzwischen ist es kurz vor 22 Uhr, wir haben nach ca zwei Stunden Fahrt Larvik erreicht, wo das große Schiff M/S Peter Wessel tatsächlich auf die Nachzügler der Silvia Ana wartete und sind nun seit halb acht Uhr unterwegs. Als Entschädigung bekamen wir an Bord eine Gutschrift über 300 NOK, wovon wir im billigsten Restaurant an Bord doch immerhin satt wurden incl Getränke. Musste allerdings alles auf einmal ausgegeben werden, etwas umständlich das Ganze. Nach dem Essen ein Weilchen in der Pianobar sitzen macht müde ( der Pianist spielt gut, singt schlecht, keiner der wenigen Gäste klatscht..), in der Kabine spürt man das sanfte Schaukeln des Schiffes mehr als draußen, von schlechtem Wetter nichts zu merken - ich gehe wohl noch ein Weilchen unters Volk und lese was...

Dienstag, 29.08.2006 - Hirtshals
Nach ruhiger Überfahrt erreichen wir Hirtshals pünktlich um 8 Uhr.
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